Nebraska Tarock
Königrufen im Mittleren Westen der USA
- Die Karten und ihr Wert
- Spielziel
- Spielchips, Partie
- Geben, Spielrichtung
- Gebote
- Sonderwertungen
- Meldungen
- Abspiel
- Wertung nach Spielende
- Petrytls Tarock
- Regelblatt vom Ben Franklin Store
- Karten
- Herkunft, Verwandschaft
- Nachweise
Im amerikanischen Bundesstaat Nebraska wird von Nachkommen tschechischer Einwanderer bis heute (2025) eine besondere Form des Königrufen gespielt, zumeist unter der Bezeichnung Tarok oder Taroky.
Emily Wynn hat intensiv recherchiert und an Spielabenden im Tschechischen und Slowakischen Bildungszentrum und Kulturmuseum in La Vista (Nebraska) teilgenommen, um die folgenden Regeln mitteilen zu können. Sie bedankt sich bei den wunderbaren Menschen im Kulturzentrum für deren Unterstützung. Es gibt einige wenige Unterschiede zu den von Brichaček/Čada für Heun NE notierten Regeln und leichte Variationen in anderen Orten, wie die Spieler im Kulturzentrum berichten.
Des weiteren werden kurz vorgestellt: Ein Regelwerk aus den 1920er Jahren von August Petrtyl, sowie das Regelblatt, das einigen der verwendeten Karten beigelegt war. Nach Auskunft der heutigen Spieler werden diese Varianten allerdings nicht (mehr) gespielt.
Die Karten und ihr Wert
Es wird ein Tarockblatt mit 54 Karten in der üblichen Zusammensetzung verwendet. Die in Nebraska ausschliesslich verwendeten Karten waren von der Western Playing Card Company (Racine WI) unter der Bezeichnung «Tarock Playing Cards» erhältlich. Bei dem Bild handelt es sich um eine Variante des «Enzyklopädischen» oder «Bürgerlichen Tarock». Die Karten haben das Format von Bridgekarten (9 x 6 cm statt der bei Tarockkarten üblichen 11 x 6 cm). Wenn solche Karten grad nicht zur Hand sind, gibt es andere Möglichkeiten.
…
Es gibt 22 Trumpfkarten, genannt Tarock (taroky). Der höchste Trumpf ist der Skies (Škýz, engl. skeez), effektiv Tarock 22. Die andern folgen entsprechend ihrer Nummerierung von 21 bis 1. Die 1 (Pagat) heisst tschechisch špaček, was lautlich an die in Österreich gängige Bezeichnung Spatz für diese Karte erinnert (allerdings ist špaček, engl. starling, der Gemeine Star, Sturnus vulgaris, und nicht Passer domesticus).
Dazu gibt es Karten in den 4 Farben Kreuz (clubs),
Pik (spades),
Herz (hearts),
Karo (diamonds). Jede Farbe hat 4 Bilder, absteigend: König (king), Dame (queen), Reiter oder Cavall (horseman), Bube (jack). Auf den Buben folgen in den schwarzen Farben (
): 10, 9, 8, 7; in den roten Farben (
): 4, 3, 2, 1. Die niedrigste Karte, Ass, wird als Eins (one) bezeichnet (die Bezeichnung Ass, ace, hat in der amerikanischen Vorstellung einen hohen Rang).
Spieler von badischen oder österreichischen Tarockspielen beachten bitte: die nummerierten Karten in rot rangieren, wie in schwarz, von der höchsten zur niedrigsten Zahl, nicht in umgekehrter Reihenfolge.
Die beiden höchsten und der niedrigste Trumpf, sowie die Bildkarten haben einen Eigenwert grösser 1.
Karte | Wert |
---|---|
Skies, 21, 1 | 5 |
König | 5 |
Dame | 4 |
Cavall | 3 |
Bube | 2 |
Andere | 1 |
Gezählt wird in Dreierlagen: Je 3 Karten werden zusammengenommen und von der Wertsumme 2 abgezogen. Vom Wert einer oder zwei überzähliger Karten wird 1 abgezogen. Der Gesamtwert der Karten ist 70.
Das ist auch die im österreichischen Königrufen häufigste und im badischen Cego ausserhalb des Hochschwarzwalds übliche Zählweise.
Spielziel
Vier Aktive spielen eine Form des Königrufens: Ein Spieler ruft einen König, dessen Halter sein Partner ist, und versucht, die Mehrheit der Kartenpunkte, also mehr als 35, zu gewinnen. Man kann auch allein spielen indem man einen selbst gehaltenen König ruft oder der gerufene im Talon liegt.
Man kann zu fünft spielen (das ist auch üblich), dann setzt der Geber jeweils aus und nimmt weiter nicht am Spiel teil (auch nicht an den Zahlungen).
Spielchips, Partie
Üblicherweise werden Pokerchips zur Bezahlung der Spiele verwendet. Jeder erhält die gleiche Zahl. Üblich sind 4 rote oder blaue und 5 weisse pro Spieler. Die weissen zählen 1 Einheit, die farbigen 5. Die Partie geht entweder solange, bis ein Spieler keine Chips mehr hat, oder auf eine festgelegte Zahl von Spielen, das ist Abmachungssache.
Geben, Spielrichtung
Spielrichtung ist im Uhrzeigersinn (im Gegensatz zum Tarock in Österreich oder Baden).
Der erste Geber wird gelost. Vorhand ist der Spieler links vom Geber. Nach jedem Spiel ist Vorhand neuer Geber. Der Geber mischt und präsentiert den Stapel verdeckt dem Spieler zur Rechten. Dieser kann abheben, ohne Abheben spielen lassen, oder leicht auf den Stapel klopfen.
Wenn der Spieler rechts nicht geklopft hat, legt der Geber zuerst 6 Karten verdeckt als Talon (genannt Blind) in die Mitte und gibt dann jedem reihum 2 mal 6 Karten, insgesamt 12, beginnend mit Vorhand.
Hat der Spieler rechts geklopft, legt der Geber ebenfalls zuerst 6 Karten in die Mitte und bildet dann 4 Stapel mit je 12 Karten, die er verdeckt nebeneinander auf den Tisch legt. Vorhand hat nun die Wahl den ersten oder einen anderen 12er-Stapel aufzunehmen. Nimmt sie den ersten auf, dann nehmen die anderen der Reihe nach den zweiten, dritten und letzten. Wenn sie einen anderen Stapel aufnimmt, nehmen die anderen der Reihe nach einen Stapel auf, haben jetzt aber freie Wahl.
Hat ein Spieler weder Könige noch Tarocks, kann er verlangen, dass das Spiel abgebrochen wird. Dann gibt Vorhand zu einem neuen Spiel.
Gebote
Die Spieler bieten darum, wer Bieter wird und einen König ruft. Es gibt 3 Gebote, in aufsteigender Rangordnung: «Vier» (Four, Rufspiel mit Talontausch), «Fünf» (Five, Rufspiel ohne Talontausch) und «Fünf drüber» (Five over, Rufspiel ohne Talontausch).
«Vier»
(Einfacher Rufer) Der Bieter ruft eine Farbe. Der Halter des Königs dieser Farbe ist sein Partner. Hat der Bieter 3 Könige, dann kann er «Vierter König!» rufen und der Halter des vierten Königs ist Partner. Liegt der gerufene König im Talon, spielt der Bieter (wieder Willen) allein. Der Bieter kann einen selbst gehaltenen König rufen und auf diese Weise absichtlich allein spielen. (Ein ausdrücklich angesagtes Alleinspiel gibt es nicht.) Hat ein Spieler alle 4 Könige muss er sich selber rufen oder auf das Bieten verzichten um ggf. von einem anderen Spieler gerufen zu werden.
Der gerufene Partner sagt nichts, seine Identität stellt sich während des Spiels der Karten heraus, wenn er den König spielt.
Die Talonaufnahme geschieht in Stadien.
- Der Bieter nimmt 3 Karten vom Talon und guckt sie sich an, ohne sie den anderen zu zeigen. Gefallen sie ihm, nimmt er sie in sein Blatt auf. Die anderen 3 Karten werden nicht aufgedeckt und gehören am Ende der Gegenpartei.
- Gefallen dem Bieter die gesehenen Karten nicht, legt er sie getrennt von den anderen offen für alle sichbar auf den Tisch und nimmt die restlichen 3 verdeckten Karten und guckt sie sich an. Er behält sie, indem er sie in sein Blatt aufnimmt. Die 3 offenen Karten gehen an die Gegenpartei.
- Gefällt dem Bieter das zweite Dreierpaket nicht, kann er es offen auf den Tisch legen, es gehört nun den Gegenspielern. Der Bieter muss die ersten 3 gesehenen Karten aufnehmen.
Statt Karten zu behalten kann sich der Bieter nach Ansicht der Talonkarten entscheiden aufzugeben und allen 3 Mitspielern den einfachen Spielwert zu bezahlen (4 Chips). Dann gibt Vorhand zum nächsten Spiel.
Will er spielen, reduziert der Bieter sein Blatt auf 12 Karten indem er 3 Karten drückt (verdeckt ablegt), die am Ende für seine Partei zählen, wenn sie wenigstens einen Stich macht. Nicht gedrückt werden dürfen Karten mit Zählwert 5 (Könige, Skies, 21, 1). Sonstige Tarock dürfen nur gedrückt werden, wenn der Bieter keine andere Möglichkeit hat; in diesem Fall sagt er die Zahl der gedrückten Tarock an.
Die Karten für die Gegenpartei zählen zu deren Stichen, tauschen dürfen die Gegenspieler nicht.
In Heun darf der Bieter auch die aufgenommenen Karten nicht drücken. An manchen Orten kann ein Bieter mit vier Königen eine Dame rufen, an anderen die 19.
«Fünf» und «Fünf drüber»
(Solorufer) Die Gebote «Fünf» und «Fünf drüber» unterscheiden sich nur darin, dass «Fünf drüber» nur nach «Fünf» geboten werden kann und das Spiel am Ende doppelt zählt.
Der Bieter ruft einen König, nimmt jedoch keine Talonkarte auf. Wie im Spiel «Vier» spielt der Bieter allein, wenn er einen selber gehaltenen König ruft oder der gerufene König im Talon liegt.
Der Talon bleibt bis Spielende unbesehen und fällt komplett an die Gegenspieler wenn der Bieter einen Partner hat. Liegt der gerufene König im Talon, erhält der Bieter die Talonhälfte in der sich der König befindet.
In Heun bekommt im letzten Fall der Bieter die oberen 3 und die Gegenspieler die unteren 3 Karten.
Bietverfahren
Normalerweise beginnt Vorhand und sagt ein Gebot an oder passt, danach die anderen Spieler der Reihe nach. Wenn die ersten 3 Spieler passen, muss der Geber mindestens «Vier» bieten. (Nach Auffassung der Spieler ist es für Vorhand fast immer richtig, wenigstens «Vier» zu bieten, ausser bei einer schlechten Hand mit vielen Königen.)
Im ersten Spiel einer Partie beginnt der Halter der Trumpf-2 und muss «Vier» bieten. Liegt die 2 im Talon muss der Halter der 3 bieten. Wenn 2 und 3 im Talon liegen, der Halter der 4, usw.
Ein Spieler kann das Bieten mit «Vier» oder «Fünf» eröffnen. Nach dem Gebot «Vier» ist nur «Fünf» möglich. Nach «Fünf» kann ein späterer Spieler oder der, der mit «Vier» eröffnet hat, das Spiel mit «Fünf drüber», dem Höchstgebot, an sich ziehen. Ausnahmsweise kann Vorhand, wenn sie mit «Vier» eröffnet hat, das Gebot «Fünf» eines späteren Spielers selbst behalten, muss also nicht «Fünf drüber» bieten.
Sonderwertungen
Neben der Hauptwertung, bei der es um die Mehrheit der Kartenpunkte geht, gibt es folgende Sonderwertungen:
König ultimo (king last) Wenn der gerufene König im letzten Stich gespielt wird, gewinnt diese Wertung die Partei, die den Stich macht, egal mit welcher Karte.
Spatz ultimo (špaček last) Diese Wertung wird gewonnen, wenn 1 im letzten Stich gespielt wird und diesen gewinnt (einziger Tarock ist). Im letzten Stich 1 gespielt und den Stich an einen anderen Tarock abgegeben verliert die Wertung, auch wenn der Partner den Stich macht.
Ultimoansage. Die Absicht, einen Ultimo gewinnen zu wollen, kann vor dem Spiel der ersten Karte angesagt werden (calling king last, calling špaček last). Die Wertung ist dann verloren, wenn der Spieler die fragliche Karte vor dem letzten Stich spielt, was grundsätzlich erlaubt ist.
Kontra, Rekontra. Wenn der Bieter «Fünf» oder «Fünf drüber» spielt, kann ein Gegenspieler den Spielwert mit der Ansage «Kontra!» verdoppeln. Ein Spiel «Vier» und Ultimos können nicht kontriert werden. Ein Kontra kann der Bieter oder sein Partner mit «Rekontra!» nochmals verdoppeln (insgesamt vervierfachen). (Auf diese Weise wird die Parteizugehörigkeit der ansagenden Spieler legal deutlich.)
Meldungen
Weitere mögliche Ansagen vor dem Spiel der ersten Karte sind Meldungen von bestimmten Kartenkombinationen, die ein Spieler auf der Hand hält. Ein Spieler kann bei geeigneten Karten mehr als eine Meldung machen.
Zehn Tarock (ten taroky) Der Spieler hält 10 oder mehr Tarock (im Falle des Bieters und einem Spiel «Vier»: nach Talonaufnahme). Der Spieler muss keine Karten vorzeigen oder sagen welche oder wieviele es tatsächlich sind.
Vier Könige (four kings) Der Spieler hält alle vier Könige.
Drei hoch (three high, Trull) Der Spieler hält die Tarock 1, 21 und Skies.
Macht ein Spieler eine dieser Meldungen, erhält er sofort von jedem der drei anderen 1 Chip dafür (etwaige Partnerschaften sind irrelevant). Melden ist freiwillig, wer mehr als eine Kombination auf der Hand hält muss nicht alle melden. Für nicht gemeldete Kombinationen gibt es keine Chips.
Abspiel
Der Bieter spielt die erste Karte.
Die Spieler geben der Reihe nach je eine Karte dazu. Es herrscht Farb- und Trumpfzwang: die angespielte Farbe muss bedient werden, wer nicht bedienen kann muss Tarock spielen.
Der höchste Tarock gewinnt den Stich, oder die höchste Karte der angespielten Farbe, wenn kein Tarock gespielt wurde.
Wenn in einem Stich 21, Skies und 1 in dieser Reihenfolge zugegeben werden, macht die 1 den Stich. (Kaiser- oder Märchenstich; eine eigene Bezeichnung hat dieses Ereignis in Nebraska allerdings nicht.)
Der Gewinner eines Stiches sammelt die gewonnenen Karten für seine Partei ein und spielt zum nächsten Stich an.
In Heun spielt bei Stufe «Vier» Vorhand die erste Karte.
Wertung nach Spielende
Kartenpunkte
Die gewonnenen Karten einer Partei werden wie oben angegeben gezählt. Die Partei der Bieters braucht mehr als 35 Punkte um zu gewinnen («35 und zwei Karten»). Wenn 2 gegen 2 spielen, bezahlt jeder Verlierer einen Gewinner, bei 1 gegen 3 erhält der Alleinspieler von jedem Gegenspieler den Spielwert bzw. zahlt ihn an jeden. Der Wert des Spiels richtet sich nach dem Gebot, danach welche Karten der Bieter aufgenommen hat, und nach allfälligen Re-/Kontras.
Gebot | aufgenommene drei Talonkarten |
Spielwert (Chips) |
---|---|---|
«Vier» | erste | 4 |
andere | 5 | |
doch erste | 6 | |
«Fünf» | keine | 8, 16*, 32** |
«Fünf drüber» | 16, 32*, 64** | |
*) nach Kontra, **) nach Rekontra |
Wenn beim Gebot «Vier» die ersten drei Karten aussichtsreich sind, kann es sich für den Bieter lohnen sie zunächst abzulehnen, die anderen drei anzusehen, um wieder zurück zu den ersten drei zu gehen, und so den Spielwert von 4 auf 6 zu erhöhen. Das ist eine übliche Taktik, die meisten Spiele haben daher den Wert 5 oder 6.
Alle Stiche (taking all tricks)
Wenn eine Seite alle Stiche macht, hat die andere verloren und die Werte für «Vier», «Fünf» und «Fünf drüber» werden verdoppelt: 8, 10 oder 12 für «Vier», 16 für «Fünf» und 32 für «Fünf drüber», die Fünfer-Werte entsprechend von Kontra- und Rekontra-Ansagen verdoppelt oder vervierfacht. Die Absicht, alle Stiche machen zu wollen, kann nicht vorab angesagt werden (anders als ein Valat in Österreich).
König und Spatz ultimo
sind 1 Chip wert oder angesagt 2. Die Ultimos werden von der Partnerschaft insgesamt gewonnen oder verloren, d.h. ein Spieler der Verliererpartei bezahlt einen Gewinner dieser Wertung, der andere den anderen.
Strafen
Vergeben. Der Geber zahlt 1 Chip an jeden anderen, die Karten werden zusammengeworfen, Vorhand gibt zum nächsten Spiel.
Drücken vergessen. Es wird eine Karte angespielt und erst dann bemerkt, dass der Bieter nicht gedrückt hat: Der Bieter drückt und zahlt an jeden 1 Chip, das Spiel geht weiter.
Petrytls Tarock
(Abb. 1)
Im Jahr 1922 hat August Petrtyl in Chicago ein eigenwilliges Tarock herausgebracht. Die Symbole sind verschieden gefärbt (Herz rosa, Karo gelb, Kreuz schwarz und Pik grün), die Bilder sind statt König, Dame, Cavall, Bube: Indianerhäuptling, Squaw, Cowboy, Scout. Es gibt in allen Farben die Nummern IV, III, II und I. Auf den Tarock sind amerikanische Landschaften in einem Kreis abgebildet. Der Skies ist «Uncle Sam» und die 1 «Papoose». Den Karten ist ein Regelwerk beigefügt mit Spielen für 2 bis 5 Spieler.
Wenn man sich die eigenwillige Terminologie und Gestalt der Karten wegdenkt, dann ergibt sich für das Spiel zu viert ein Königrufen, das eindeutig eine frühe Form des Nebraska Tarock ist. Im Folgenden nur die Unterschiede zum heutigen Spiel, mit weitgehend «normalisierter» Terminologie.
Gebote aufsteigend: «Drei», «Vier», «Fünf», «Grand Nullo» und «Grand Sweep» (es fehlt «Fünf drüber»).
Drei. Vorhand beginnt immer die Bietrunde und muss mindestens «Drei» bieten. Wenn niemand mit «Vier» überbietet werden die Karten zusammengeworfen und Vorhand erhält von jedem Mitspieler 3 Chips.
Alleinspiel. In den Spielen «Vier» und «Fünf» kann der Bieter explizit ein Alleinspiel ansagen: «Ohne König!» (bzw. «Ohne Häuptling!»).
Sweep heisst alle Stiche und kann angesagt werden. Werte bei Gebot «Vier»: 12, 14, 16 Chips (erste, zweite, oder doch wieder erste Talonhälfte aufgenommen); verdoppelt auf 24, 28, 32 Chips wenn angesagt. Bei Gebot «Fünf»: 24 oder angesagt 48 Chips. «Grand Sweep» heisst: der Spieler spielt allein ohne Talonaufnahme und muss alle Stiche machen, das zählt 60 Chips, Ultimos werden nicht gewertet.
Stichspiel. Es spielt immer Vorhand zum ersten Stich an. Wer einen Ultimo ansagt, muss die Karte solange halten, wie nach den sonstigen Regeln möglich.
Meldungen. Die Prämien (Drei hoch, Vier Könige, Zehn Tarock) richten sich nach dem Gebot: «Vier» 1 Chip, «Fünf» 2 Chips, «Grand Sweep» 4 Chips.
Grand Nullo. Der Talon wird unbesehen beiseite gelegt, der Bieter spielt mit den Karten wie gegeben und darf keinen Stich machen. Wert 36 Chips. Meldungen sind «Kein Trumpf» (zwei oder weniger Tarock), «Keine Drei» (kein Skies, 21, 1), «Keine Könige», und zählen je 4 Chips.
Strafkasse. Bei Vergeben zahlt ein Geber 4 Chips in diese Kasse. Ihr Inhalt wird von einer Partei, die «Spatz ultimo» ansagt, wenn erfolgreich, gewonnen, sonst verdoppelt.
Regelblatt vom Ben Franklin Store
(Abb. 2)
Eine zeitlang war den Karten, die der Ben Franklin Store in Schuyler NE vekauft hat, ein Regelblatt für 2 bis 4 Spieler beigelegt. Die dortigen Bezeichnungen und die beschriebenen Spielweisen scheinen allerdings eher österreichischen Praktiken nach dem Zweiten Weltkrieg zu entsprechen. Insbesondere kommen die sowohl für das moderne Spiel, wie für Petrytls Variante kennzeichnenden (und etwas seltsamen) Bezeichnungen «Vier» für den einfachen Rufer und «Fünf» für den Solorufer im Spiel zu viert nicht vor. Das Spiel zu dritt ist klassisches Dreiertarock, das zu zweit Stromandeln.
Da bisher keiner der heutigen Spieler diese Variante als authentische Spielweise in Nebraska kennt, belassen wir es vorläufig bei den Bildern des Regelblattes.
Karten
Die in Nebraska zum tarockieren verwendete Kartenbild geht zurück auf das von der Firma Conrad Ludwig Wüst in Frankfurt am Main 1865 herausgebrachte «Enzyklopädische» oder «Bürgerliche Tarock». Das Bild traf offenbar den Nerv der Zeit und Kopien und Varianten wurden von vielen grossen Kartenmachern produziert. Die wiener Fa. Piatnik hatte für ihre 1205 herausgebrachte Variante in New York einen gemeinsamen Vertrieb mit Wüst. Wüst wurde 1927 von der Vereinigten Altenburger und Stralsunder Spielkarten-Fabriken A.G. (ASS) übernommen. Die Karten von ASS mit dem Wüst-Bild trugen zuletzt die Bezeichnung «Cego-Karte Nr. 49» und wurden bis Ende der 1930er Jahre nach Amerika exportiert. Die aus Europa exportierten Karten hatten immer die für Tarockkarten übliche Grösse von ca. 11 x 6 cm.
(Abb. 3)
Mit Kriegsausbruch 1939 endete der deutsche Spielkartenexport nach Übersee. Da es weiter Bedarf nach den Karten gab, ist die Western Playing Card Company in Racine (Wisconsin) «eingesprungen». Western PCC hat das ASS-Bild übernommen, inklusive des ASS-Logos auf dem Karo-Ass. Da man wohl keine Fertigungsstrecke für grössere Karten als das Bridge-Format hatte (9 x 6 cm, 2 cm kürzer als übliche Tarockkarten), hat man hat von den Bildern jeder Kartenhälfte 1 cm abgeschnitten.
Anfänglich wurde die Karten in einer Stülpschachtel aus Karton ausgeliefert, auf der eindeutig der Hersteller steht: «Tarock Playing Cards / Made in U.S.A. / Western Playing Card Co. / Racine, Wis. / Poughkeepsie N.Y.». Später ist man zu einer durchsichtigen Schachtel aus Celluloid übergegangen; es wurde kein Deckblatt hinzugefügt, so dass bei dieser späteren Verpackung die Herstellerangabe fehlt.
(Abb. 4)
Western PCC wurde Ende der 1980er von Liberty Inc. gekauft. Seither wurden wohl keine neuen Karten mehr hergestellt. Der Ben Franklin Store in Schuyler NE hat zuletzt Tarockkarten verkauft. Ben Franklin war eine Kette von Sonderpostenmärkten (variety stores), die Ende der 1990er Pleite ging. Der Lagerbestand wurde von Spielern gekauft und wird bis heute verkauft auf Tarockturnieren in Nebraska und vom Sanitär- und Heizungsfachgeschäft Clarkson Plumbing, Heating, and Hardware, Inc. (220 Pine St, Clarkson NE 68629, Tel. +1-402-892-3331; $5,- das Stück, erhältlich nur vor Ort und höchstens zwei pro Käufer! Stand März 2025).
Das österreichische Industrie-und-Glück-Bild mit grossen römischen Ziffern wird, im Gegensatz zu dem was die Titelbilder von Brichaček/Čada und Čada suggerieren, von den Spielern heutzutage nicht mehr verwendet; solche Karten heissen «fancy cards» und gelten als zum spielen ungeeignet. Die erste Einwanderergeneration hat solche Karten allerdings sehr wohl noch verwendet.
Nach dem Krieg hat ASS sein Cego Nr. 49 nicht mehr ins Programm genommen und nie wieder Karten in grösserem Umfang nach Amerika exportiert. Kann man sich die Western-Karten nicht beschaffen, wäre das ähnlichste Bild das Cego von F.X. Schmid: Es hat auf den Tarock die grossen Zahlen in der Mitte vom Balken, allerdings mit durchweg bäuerlichen Szenen darunter. Der Schmid-Bild wird von einigen Firmen vertrieben (Fahnen & Werbetechnik Staeb, Fürstenberg Brauerei; gedruckt wird es von ASS). Das moderne französische Tarock (Tarot nouveau, im Handel: Jeu de tarot à 78 cartes) hat das gleiche Bildprogramm auf den Tarock wie die Western-Karten, die Zahlen sind allerdings am Rand. Entfernter ist das Adler-Cego mit Tierbildern auf den Tarock.
(Abb. 5)
Herkunft, Verwandschaft
Die Regeln von Nebraska gehen auf Varianten zurück, die um 1900 in den Ländern der Böhmischen Krone im Habsburgerreich gespielt wurden. Die Auswanderungswelle von dort war so organisiert, dass sich im amerikanischen Mittleren Westen geschlossene tschechische Siedlungsgebiete bilden konnten, in denen sich die böhmische Kultur inklusive Tarock gehalten hat.
Verglichen mit dem heutigen Königrufen in Österreich ist insbesondere das Vor-und-zurück bei der Aufnahme des Talons in der Spielstufe «Vier» altertümlich. Auch dass im Prinzip jeder Spieler einen einfachen Rufer («Vier») spielen darf, kommt zumeist nicht mehr vor. Entweder darf nur Vorhand das bieten oder das Gebot entfällt ganz (Lungau).
Im heutigen Tschechien scheint das Königrufen nicht mehr gespielt zu werden, sondern nur noch Neunzehnerrufen. Dass das mal anders war und in den gleichen Regionen beide Formate gespielt wurden (wie heute noch in einigen Gegenden von Österreich) ergibt sich daraus, dass Nachkommen tschechischer Einwanderer in Texas sogar noch die Formate König-, Neunzehner- und Zwanzigerrufen spielen. In Texas werden allerdings die «fancy cards» verwendet, das Industrie-und-Glück-Bild; die Karten werden aus Österreich importiert.
Nachweise
Bibliographie
- BRICHAČEK Robert / ČADA Ken (1997) The Czech Card Game of Taroky: Rules as Played at Holy Trinity Catholic Church Heun, Nebraska. (Clarkson History)
- ČADA Glenn (2016) Card Parties. (Clarkson History) Tschechische Kultur in Nebraska.
- DUMMETT Michael / MCLEOD John (2009) Supplement to A History of Games Played with the Tarot Pack. Oxford, Maproom. (Tarotgame.org)
- Petrytl: Spiele 18.14 (Königrufen zu viert) und 18.15 bis 18.17 (andere Spielerzahl).
- Texas: Spiele 18.13 (Königrufen), 19.16 (Neunzehnerrufen), 19.17 (Zwanzigerrufen).
- KNÜPFER Ulrich (2024) Ein Bürger tarockiert. (Talon Nr. 33, S. 86) Tarockkarten in Amerika.
- LABER Achim (2025) Die Kartenblätter. (Cego.de) Vergleich Tarockbilder.
- MCLEOD John
- Taroky. Tschechisches Neunzehnerrufen.
- Königrufen. Österreichisches Königrufen.
- WINTLE Simon (2023) Western PCC, Racine, Wisconsin. (World of Playing Cards)
Ausserdem Gespräche mit Gerd Matthes, Spielkartensammler und langjähriger Mitarbeiter der Spielkartenfabrik in Altenburg (Thüringen).
Bilder
- Titelbild: Čada
- Western-Karten: Scans vom Autor
- Numerierte Abbildungen
- Petrytls «Tarok»: Chris Miller (Wikimedia, 2011)
- Celluloid-Schachtel vom Ben Franklin Store, Schuyler NE (o.J.) mit Regelblatt und beide Seiten des Regelblattes: Emily Wynn (La Vista NE, 2025)
- Tarock von Western PCC und Cego-Karten Nr. 49 von ASS mit US-Steuerstempel von 1937: Achim Laber (Hinterzarten, 2024)
- Western PCC Schachteln (v.l.n.r.)
- Stülpschachtel «Tarock Playing Cards» (ca. 1940): Emily Wynn (La Vista NE, 2025)
- Stülpschachtel «Tarock Playing Cards» (o.J.): Ebay-Angebot «Vintage Deck of Tarock Playing Cards w/Box - 54 Cards - USA - Western Playing Co» (Playful Investments, aufgerufen März 2025)
- Celluloid-Schachtel vom Ben Franklin Store, Schuyler NE (1999): Čada
- Vergleich Tarock 17 (v.l.n.r.; auf Karopapier, Kantenlänge der Karos 5 mm): Scan vom Autor
- Industrie & Glück (Piatnik)
- Adler-Cego (ASS)
- Tarot nouveau (Piatnik)
- Cego F.X. Schmid (Fahnen-Staeb, Druck ASS)
- Tarock Playing Cards (Western PCC)