Ciapanò
Grundlage dieser Regeln sind Mitteilungen von Virgilio Ferrari, Davide Gullo und Sergio Mastromarino.
Ciapanò ist milanesischer Dialekt und heisst soviel wie «Nimm es nicht!». Das Spiel hat viele andere Namen, z.B. Rovescino, Traversone, Tressette a non prendere, Perdivinci oder Vinciperdi.
Das Spiel ist sozusagen das Ramsch bzw. Trischaken der Tressette-Familie von Kartenspielen. Es wird das gleiche Rang- und Kartenpunktsystem verwendet und es gibt keinen Trumpf, die Spieler versuchen jedoch normalerweise zu vermeiden, Punkte zu machen. Aber das Äquivalent zum «Durchmarsch» beim Ramsch gibt es auch, denn ein Spieler gewinnt, wenn er alle Punkte macht.
Karten
Ciapanò wird mit den 40 Karten des in der jeweiligen Region üblichen Kartenbildes gespielt. Es gibt in vier Farben jeweils drei Bildkarten und numerische Karten von Ass bis 7.
Die Karten können französische oder lateinische (d.i. italienische oder spanische) Farben haben. In lateinischen Bildern gibt es statt der Dame eine Reiterfigur, cavallo (Pferd). Lateinische Farben und ihre Entsprechungen in französischen Farben, am Beispiel der Pferde des italienischfarbigen Bresciane-Bildes und der entsprechenden Damen in einem historischen Milanese:
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Cavallo Pferd |
~ |
Dama Dame |
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Denari Münzen |
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~ |
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Quadri Karo |
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Spade Schwerter |
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~ |
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Picche Pik |
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Coppe Kelche |
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~ |
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Cuori Herz |
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Bastoni Stäbe |
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~ |
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Fiori Kreuz |
Rang und Wert der Karten, am Beispiel der Münzfarbe (absteigend von links nach rechts, dann oben nach unten):
| 3 | 2 | Asso | ||
|---|---|---|---|---|
| ⅓ | ⅓ | 1 |
Cricce (Hohe) |
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Re König |
Cavallo Pferd |
Fante Bube |
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| ⅓ | ⅓ | ⅓ | ||
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Figure Bilder |
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| 7 | 6 | 5 | 4 | |
| 0 | 0 | 0 | 0 | |
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Scartine Luschen |
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Die Rangstufen werden ihrem Wert und ihrer Rolle nach wie angegeben gruppiert. Die drei höchsten Ränge, cricce, heissen in der Einzahl cricca, was soviel bedeutet wie «Bande», «Clique», «Sippschaft».
Insgesamt kommt man auf 10⅔ Kartenpunkte. Das Spiel wird jedoch, wie die positiven Spiele der Gruppe, auf insgesamt 11 Kartenpunkte gerechnet. Die Bilanzierung geht gegen den Spieler, der den letzen Stich macht, was im Abschnitt Wertung erläutert wird.
Spieler, Geben, Abspiel
Spielerzahl. 3, 4 oder 5 aktive Spieler.
Spielrichtung ist gegen den Uhrzeigersinn.
Geben. Der erste Geber mischt, lässt links abheben und gibt dann rechtsherum die Karten aus. Nach dem Spiel ist der Spieler rechts neuer Geber. Es erhalten
- bei 5 Spielern jeder 8 Karten (z.B. 2-mal 4);
- bei 4 Spielern jeder 10 Karten (z.B. 2-mal 5);
- bei 3 Spielern jeder 13 Karten (z.B. erst 4, dann 5, dann 4), die überzählige Karte wird verdeckt beiseite gelegt, sie spielt keine weitere Rolle.
Abspiel. Der Spieler rechts vom Geber spielt zum ersten Stich an. Jeder legt der Reihe nach eine Karte dazu. Farbe muss bedient werden, wer’s nicht kann, spielt eine beliebige Karte. Die höchste Karte der angespielten Farbe gewinnt den Stich. Es gibt keinen Trumpf. Der Stichgewinner spielt zum nächsten Stich an.
Wertung
Es gibt ausschliesslich Strafpunkte.
Alle Spieler, die nicht den letzten Stich gewonnen haben, zählen ihre Kartenpunkte und schreiben den ganzzahligen Wert als Strafpunkte an, Drittelbruchteile fallen weg. Der Spieler, der den letzten Stich gemacht hat, schreibt die Differenz von 11 zu der Summe der Strafpunkte der anderen Spieler an.
| Wertungsbeispiel | |||
|---|---|---|---|
| Spieler |
Karten- punkte |
Straf- punkte |
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| Andrea | 1⅓ | 1 | |
| Barbara | Letzter Stich | = | 4 |
| Camillo | 4⅔ | 4 | |
| Daniela | 2⅔ | 2 | |
| Emmanuala | ⅔ | 0 | |
| Summe ohne B. | 9⅓ | 7 | |
Barbara hat den letzten Stich gemacht. Obwohl der Gesamtwert der Kartenpunkte der anderen Spieler 9⅓ ist, schreiben diese doch nur insgesamt 7 Strafpunkte. Daher bekommt Barbara 11−7 = 4 Punkte. Da sie eigentlich nur 1⅓ Kartenpunkte eingenommen hat, also 1 ganzzahligen, ist der letzte Stich in diesem Fall 3 Punkte teuer.
Cappotto (Durchmarsch). Ein Sonderfall tritt ein, wenn der Gewinner des letzten Stiches 11 Punkte macht, weil jeder andere Spieler weniger als 1 Kartenpunkt hat. Dann hat der Gewinner des letzten Stiches gewonnen, schreibt 0, und alle anderen schreiben 11 Strafpunkte.
Partie. Typischerweise wird auf 31 Strafpunkte gespielt. Wer diesen Wert erreicht oder überschreitet, scheidet aus. Wenn je nach Abmachung nur noch 1, 2 oder 3 Spieler nachbleiben, dann haben sie gewonnen.
Varianten
Die Zielpunktzahl wird unterschiedlich festgelegt. Zum Bsp. mal auf 21 oder auf 41, statt 31.
Es wird auch gespielt, dass die Partie endet, sobald ein Spieler die Zielmarke erreicht oder überschreitet. Sieger sind dann der oder die Spieler mit den wenigsten Strafpunkten.
Traversone
Mitgeteilt von Antonio Di Sebastiano.
Das Stab- bzw. Kreuz-Ass zählt 11 Punkte, statt 1, die
Gesamtpunktzahl beträgt 21, so dass
A
mehr als die Hälfte der Strafpunkte wert ist.
|
= 11 |
Es spielen 3 bis 8 Spieler.
Die Karten werden so ausgegeben, dass jeder die gleiche Zahl hat, der Rest wird als Talon (monte) verdeckt weggelegt. Zum Beispiel bekommen bei 6 Spielern jeder 6 Karten und es bleiben 4 nach. Die monte wird dem Gewinner das letzten Stiches zugerechnet.
Gewinnt ein Spieler cappotto, alle 21 Kartenpunkte, dann kann er entscheiden, ob er seinen Punktestand um 21 reduziert oder alle anderen 21 zusätzliche Strafpunkte bekommen. Allerdings darf der Punktestand nicht negativ werden, d.h. wenn der cappottista weniger als 21 Strafpunkte hat, bekommen die anderen 21 zusätzlich.
Die Zielpunktzahl wird vermutlich auf 41, 51 oder noch höher festgesetzt.
Kifameno
Berichtet von Žan Kafol, Slowenien.
Der Name dieser Variante verballhornt Chi fa meno («Die, die weniger machen»).
Es gibt 2, 3 oder 4 Spieler. Im Spiel zu dritt wird eine 4 entfernt.
Jeder bekommt 10 Karten. Falls es weniger als 4 Spieler sind, werden die überzähligen Karten verdeckt als Talon in die Mitte gelegt. Vor dem nächsten Stich ziehen die Spieler, beginnend mit dem Stichgewinner, der Reihe nach, eine Karte vom Talon, solange dort noch Karten sind. Wenn der Talon aufgebraucht ist, wird ohne Ziehen weitergespielt.
Solange noch Karten im Talon sind, lässt sich eigentlich nicht kontrolieren, ob ein Spieler die angespielte Farbe bedienen kann oder nicht. Ein Spieler könnte schliesslich behaupten, er habe die Farbe aufgenommen und nicht gehalten. Mutmasslich gilt, dass eine beliebige Karte gespielt werden kann, solange vom Talon gezogen wird, wie bei anderen Spielen mit Talonaufnahme (66, Gaigel, uvam.).
Mattazza
Ein Spiel für Vier aus der Romagna.
In dieser Variante gibt es keine Drittelpunkte. Alle Kartenwerte sind mit 3 multipliziert: Bilder, 2er, 3er sind 1 Punkt wert, Asse und letzter Stich 3 Punkte. Es gibt daher 35 Punkte für die Karten.
Das Spiel läuft wie beschrieben ab. Es gibt zwei mögliche Resultate:
Haben alle Spieler Stiche gemacht, so erhalten der oder die Spieler mit den meisten Kartenpunkten je einen Strafpunkt.
Haben ein oder mehrere Spieler keinen Stich gemacht, dann schreiben diese jeder einen Strafpunkt, die Spieler mit Stichen schreiben nichts.
Die Spieler, die zuerst 5 Strafpunkte haben, sind die Verlierer.
Es ist erlaubt, «andare a duro» (Streng dich an) oder «tirare la mattazza» (Zieh’s fest) anzusagen, als Warnung, dass ein bestimmter Spieler den Stich machen könnte.
Busca
Berichtet von Davide Gullo, Reggio Emilia (myGDM, Archivlink).
Es spielen 4 Spieler.
Wie bei Matazza sind die Kartenwerte ganzzahlig. Das Münz-Ass ist allerdings 8 Punkte wert und heisst Pita. Es gibt somit insgesamt 40 Kartenpunkte.
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Pita = 8 |
(Münz-Ass des Piacentine-Bildes, welches man in Reggio Emilia antrifft.)
Es ist nicht erlaubt, im ersten Stich Münzen anzuspielen oder Pita auszuspielen (wenn der Halter Farbe nicht bedienen kann).
Es gewinnt, wer alle Kartenpunkte holt. Ist das nicht der Fall, vermeidet man keinen Kartenpunkt zu haben oder, wenn alle welche haben, die meisten zu machen.
Der Strafpunkt heisst busca (pl. busche, von buscare: verlieren, einen abbekommen). Man gehe die folgenden Möglichkeiten der Reihe nach von oben durch, was zuerst kommt, wird gewertet:
Hat ein Spieler alle 40 Kartenpunkte, dann schreibt er nichts, die anderen drei jeder 3 busche.
Haben zwei Spieler keine Kartenpunkte, dann schreiben beide jeder 2 busche, die anderen nichts.
Hat ein Spieler keine Kartenpunkte, dann schreibt er 1 busca, die anderen nichts.
Haben alle Spieler Kartenpunkte, dann schreibt der Spieler mit den meisten Kartenpunkten
- 1 busca mit bis zu 18 Kartenpunkten,
- 2 busche mit 19 bis 22 Kartenpunkten,
- die Differenz zu 20 in busche mit mehr als 22 Kartenpunkten (3 busche für 23, 4 busche für 24 usw.; das Maximum wären 17 busche mit 37 Kartenpunkten, wenn die drei anderen Spieler jeder 1 Punkt haben).
Haben im Fall 4 mehrere Spieler die meisten Kartenpunkte, dann werden die Strafpunkte zunächst wie im Fall 4 berechnet und dann das Ergebnis mit der Zahl der Spieler im Gleichstand multipliziert. Jeder im Gleichstand bekommt dies als Strafe. D.h. bei Gleichstand…
- … von Zweien erhalten entweder beide je 4 busche für je 19 Kartenpunkte, oder jeder 2 busche für 18 oder weniger Kartenpunkte.
- … von Dreien schreibt jeder 3 busche.
- … aller Vier (jeder hat 10 Kartenpunkte), schreibt jeder 4 busche.
(In seinem Beispiel gibt Gullo für den Fall Gleichstand von Vieren allerdings nur 1 busca für jeden an, was nicht zu seiner sonstigen Systematik passt.)
Die Partie geht solange, bis entweder ein oder mehrere Spieler eine vorher vereinbarte Zahl an busche geschrieben haben, oder eine festgelegte Zahl von Spielen gespielt wurde, was immer zuerst eintritt.
Quelle der Kartenbilder
Bresciane: «ZZandro», 2020, «Brescia deck». @ Wikimedia Commons. Lizenz: CC BY-SA 4.0.
Milanese, Damen: Edoardo Pignalosa, c1930, Neapel. @ World Web Playing Card Museum, Kat.-Nr. 04973/03.
Piacentine, Münz-Ass: Succ. Armanino, 1935, Rom. @ World Web Playing Card Museum, Kat.-Nr. 05728/10B